Dienstag, 3. März 2015

 

Das „Date" mit dem MdB





Nach einiger Zeit des Wartens, kam hier also die heiß ersehnte Nachricht.
"Herzlichen Glückwunsch, du gehörst zu den wenigen Auserwählten, denen das einzigartige Privileg zukommt noch länger Warten zu dürfen!"
Einerseits bringt diese Botschaft selbstverständlich Erleichterung mit sich.
Andererseits jedoch, geht es jetzt erst richtig los. Bis Mitte Februar muss sich der jeweilige Abgeordnete nun für einen der übrig gebliebenen Teilnehmer entschieden haben. Ob er euch zu einem Gespräch einlädt oder nicht, das darf er völlig frei entscheiden.

Bei mir brach ab diesem Moment eine Zeit heran, in der ich jeden und alles dafür verantwortlich machte, dass ich das Stipendium auf gar keinen Fall bekommen würde.
Wäre ich nämlich tatsächlich enttäuscht worden, so hätte ich wenigstens eine drei Seiten lange Liste mit „Warum es nicht meine Schuld war-Ideen“ parat gehabt. ( 1.Ich bin nicht mit meinem MdB verwandt. 2.Eine der anderen Kandidatinnen könnte ihr selbstgebackene Kekse zugeschickt haben. 3. Auf meinem Bild sieht meine Nase bedrohlich groß aus. 4.Vermutlich sind beim Abschicken plötzlich alle Kommas verschwunden. 5. Sie könnte meine Bewerbung auch einfach verloren haben und um der Peinlichkeit zu entgehen dies zugeben zu müssen, nimmt sie einfach jemand anderen....)
Doch nach einer kleinen Unendlichkeit – ungefähr 2-3 Monate später – erhielt ich den lang ersehnten Anruf von meiner Abgeordneten, die sich mit mir in ihrem Büro verabreden wollte.

Bei solch einem besonderen Date gehen einem natürlich tausende Fragen durch den Kopf.
„Was soll ich anziehen?“ (Nichts zu elegantes oder aufgesetztes! Nehmt etwas, worin ihr euch wohl fühlt!) „Was, wenn sie mich nicht so mag wie ich bin?“ „Was soll ich sagen, um einen guten Eindruck zu machen?“
Tja, das Ganze hat mich durchaus ein Wenig an Speeddating erinnert, nach mir kam sofort die Nächste zum Gespräch. Meine 1.000.000 klugen zurechtgelegten Antworten, mit denen ich eigentlich hatte punkten wollen, waren jedoch vergessen, als ich in einen kleinen Raum ohne viele Fenster geführt wurde, in dem ich mich schon vom ersten Moment an nicht wohl fühlte.
Mein MdB war nett, höflich und trotzdem sachlich und konzentriert. Nachdem ich im Internet davon gelesen hatte wie manche erneut getestet und abgefragt wurden (als hätte das Auswahlgespräch noch nicht den richtigen „Kick“ gegeben), fiel mein Gespräch seltsam unspektakulär aus. Im Prinzip begann sie damit, mir das Programm noch einmal in allen Einzelheiten zu erklären.
Da ich schon informiert war, doch in irgendeiner Weise Interesse zeigen wollte, habe ich völlig spontan den Entschluss gefasst mich zum Vollhorst zu machen und habe aller drei Minuten ein „Oh! Das ist ja wunderbar! Wie toll!“ eingeworfen. Vermutlich dachte sie ich hätte eine moderne Art Tourette-Syndrom.

Zwischendurch kamen einige von diesen typischen 0815-Fragen, die jeder Mensch gleich beantwortet.
„Sind Sie anfällig für Heimweh?“ „Nein! Ich hasse meine liebevolle Familie, ich hasse meine tollen Freunde!“
„Warum möchten Sie ausgerechnet nach Amerika?“ „Jede Menge dicke Menschen, das stärkt das Selbstwertgefühl! Hussa!“
„Könnten Sie sich vorstellen in einer Familie mit vielen Kindern zu leben?“ „Klar, dann verhungert man in harten Zeiten nicht so schnell.“
Dafür dass meine Hände unter dem Tisch zitterten, als müsste ich jeden Moment die deutsche Nationalhymne rückwärts singen, waren die Aufgaben bedeutend leicht. Und nach zwanzig Minuten hatte ich es hinter mir.

Es folgte die längste Woche meines Lebens. Doch in einem Moment, in dem ich überhaupt nicht daran dachte, klingelte auf einmal das Telefon.
Völlig monoton verkündete meine Abgeordnete mir: „Annabell, ich habe große Neuigkeiten, Sie fliegen nach Amerika!“ Und obwohl sie klang als hätte sie mir soeben verkündet, sie wolle sich gerne einmal unseren Rasenkantenschneider ausleihen, brach ich in Tränen aus und während sie mir erklärte, dass ich nun in Kürze Post von meiner Organisation bekommen würde, kam von mir ein gefasstes und seriöses: „Ahhhhh..*schluchz*...Danke...*schluchz*...Omg Ich kanns nicht fassen..Das ist alles so wahnsinn..*schluchz* Wow...vielen vielen vielen Dank..*schluchz* Wirklich..*schluchz*.. Danke... *schluchz*“ Danach legte sie auf. 
Um es also einmal kurz zu fassen, wir führten ein sehr langes tiefgründiges Gespräch über den Sinn des Lebens.
 
Ungefähr eine Woche hat es gedauert, bis ich anfing zu realisieren, dass das alles kein Traum war. Ich fliege also in die USA. Anni becomes an exchange student. Anni goes abroad.
Okay, so dramatisch das auch alles klingt, ich hab's bis jetzt noch nicht so richtig gecheckt. Das wird definitiv noch einige Zeit dauern. Hier in Deutschland kommt einem all dies so schrecklich unwirklich vor. Doch in sechs Monaten werde ich meine Familie und meine Freunde verlassen und für ein Jahr ein völlig anderes Leben führen.



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