Hello my name is Annabell and my favorite color is blue
Eine
Frage die sich vor dem Austauschjahr aufdrängt ist die nach
der Sprache. Bevor man das Land verlässt fühlt man sich wie der
geborene Amerikaner, haut mit "komplizierten Fachbegriffen" um sich, die
eigentlich total durchschnittlich sind, aber für die meisten
"Dog,Cat,Dog, ach Mist das habsch schon gesacht"-Deutschen groß
erscheinen. Wenn dann jedoch der Flug in die neue Heimat näher rückt,
verwandelt man sich in einen stotternden 4.Klässler. In der Schule lernt
man wie man glorreiche Reden über die Umwelt schreibt, welche
historischen Aspekte zur Unhabhängigkeitserklärung beigetragen haben
oder welche australischen Tiere zur Zeit vor dem Aussterben bedroht
sind. Aber auf das Alltagsleben, das wird man nur gering vorbereitet. Es
sei denn man trifft auf smalltalkbegeisterte Touristen und startet
einen Spontandialog. "Hello, my name is Annabell. My favorite color is
blue. I'm sixteen years old. My favorite animal is a penguin." Ja, das
hilft einem viel wenn man in unserer Teenager-Yolo-Welt Menschen kennen
lernen will. "Oh, du magst Pinguine? Voll krasschill, weißt du, wenn du
irgendwann mal Bock hast könnten wir hängen und Pinguindokumentationen
gucken!" Aber wenigstens haben wir uns mit diesen Sätzen in der 4.Klasse
auf das Überleben vorbereitet und weniger auf das Verfassen von
politisch korrekten Debatten über Außenpolitik. Nicht dass alles was man in der Schule lernt nutzlos ist, aber wer weiß schon die englischen Worte für "Ich möchte diesen
nicht-recyclebaren Onedirection-Pappaufsteller nicht in meinem Zimmer
haben" oder die freundliche Variante von "Ich wäre dir äußerst
verbunden, wenn du im Badezimmer nicht ständig 50000 Unterhosen und
Skizzen von halbwüchsigen Animewaschbären rumliegen lassen könntest"
Wenn man dann jedoch nicht einmal versucht für seine Bedürfnisse
einzustehen, dann findet man sich von heute auf morgen im diktatorischem
Königreich einer 12-jährigen wieder, die sich mit Zuckercornflakes und
Milch die Zähne putzt. Um dies zu vermeiden hier einige Tipps und
Tricks.
1. Sagt alles, was euch in den Kopf kommt.
Das klingt jetzt für viele vermutlich wie eine Einladung um
young&reckless zu werden, aber nein so ist es definitiv nicht
gemeint. Wenn sich eure Gastmutter eine pinke Dauerwellen schneiden
lässt oder der Gastvater die Augenbrauen abrasiert sagt ihr
natürlich nicht "Ich ruf kurz im Tierheim an", ihr seid höflich, nickt
und sagt es ist besser als ihr es euch vorgestellt hättet. Mit "alles
was in den Kopf kommt" meine ich einfache Gesprächsbeteiligungen. In
meinen ersten Wochen war ich erst einmal ziemlich zurückhaltend und
ruhig. Dann habe ich mich gewundert warum mein Englisch nicht besser
wurde und alles auf Amerika geschoben. Aber Überraschung, euer Englisch
verändert sich nicht in einem Wimpernschlag. Ihr seid nun in einem
riesigen laaaangen Prozess, der sich manchmal hinzieht bis ihr
Jogginghosen in der Schule tragt und öfter "like" sagt als ihr atmet. Um
aber so schnell wie möglich die Englischwichtel für euch arbeiten zu
lassen, müsst ihr euch selbst in den "butt kicken" und sprechen. Wen
interessiert es schon ob es richtig ist oder nicht? Die meisten
Amerikaner sprechen ja kaum eine Sprache perfekt, ihr arbeitet an der
zweiten (manchmal sogar dritten oder sechsten). Ihr seid im Ausland um besser zu werden, nicht um darüber zu
streiten wie gut euer 4.-Klasse Englischlehrer war und ob ihr euch noch
an das Wort Pappaufsteller erinnern könnt.
2. Downloaded eine Übersetzer-App, aber benutzt sie nicht zu häufig
Dict.cc scheint für viele die Lösung zu allem zu sein. Und auch wenn ich
Menschen lieber mit Büchern in der Hand als mit ihrem Handy sehen würde
(Bildung statt gehirnkontrollübernehmende Miniaturtechnik) muss ich
zugeben, dass es viele Vorteile hat seinen Übersetzer überall mit
hinnehmen zu können. Doch lernt man wirklich etwas, wenn man in 2
Sekunden ein Wort nachschlägt und dann weiterspricht? Nicht wirklich. Um
euch herum sind die besten Übersetzer, die man finden kann. Klar, es
ist ungewohnt mitten im Satz abzubrechen und mit Audruckstanz das Wort
Kehrschaufel zu umschreiben, aber es lohnt sich. Die meisten Amerikaner
finden es liebenswert und großartig, wenn sie euch weiterhelfen können.
Außerdem lernt man so die Aussprache gleich mit. Dann kommt es
wenigstens nicht dazu, dass ihr laut in der Klasse nach chinesischen
Essstäbchen fragt. (chapstick und chopstick liegt viel zu nah
beieinander)
3. Seid stolz auf euren deutschen Akzent
Okay, damit habe ich mich wohl so schwer getan wie nur wenige andere.
Gerade nachdem ich diese "Stummlächelnundwinken"-Phase überwunden hatte
und in die "Heckyeahsuckersichsprech2Sprachen"-Phase reinschlitterte
wollte ich ganz sicher nicht nackte Finger und "Wow guck dir dieses
echtdeutsche UppdaWuppda an!"
Also habe ich
versucht meinen Akzent so gut wie möglich zu verstecken, aber glaubt
mir, in 99% der Fälle ist dies total unnötig. Mittlerweile werde ich oft
im ersten Moment für amerikanisch gehalten, aber das ist mir nun gar
nicht mehr wichtig. Im Laufe des Auslandsjahres wächst nicht nur die
Wahrnehmung des Auslandes sondern auch dir des Heimatlandes extrem. Und
irgendwann ist man stolz darauf "anders" zu sein. Die meisten Amis
finden den deutschen Akzent übrigens tatsächlich süß. Also macht euch
keine Gedanken, sondern macht den Mund auf und sprecht.
4. Erwartet nicht zu viel von euch selbst
Als gymnasialer 1-er Schüler erwartet man natürlich das Land zu betreten
und keinerlei Probleme aufzufinden. "Wenn das andere geschafft haben tu
ich das auch!" Und natürlich tut ihr das, jeder tut es. Aber manchmal
läuft es nicht so, wie man es sich vorgestellt hätte. Seid ich
hergekommen bin habe ich vermutlich mehr Worte vergessen, als ich
gelernt habe. Das amerikanische Schulsystem fordert einen nicht
unglaublich heraus und an manchen Tagen lernt man nicht viel mehr als
"wie lange kann ich meinen Stift auf meinem Gesicht balancieren" und
"wie klebe ich meinen Schulleiter mit Tesafilm an die Cafeteriawand". In
Deutschland lernt man ständig neue Wörter für Tests und übt sich am
Auswendiglernen. Aber wisst ihr was? In den letzten 15 Minuten musste
ich ca. 10 Wörter vom Englischen in Deutsche übersetzen, um diesen
Blogeintrag hier schreiben zu können. Was bedeutet, dass es sich lohnt.
Mein Englisch ist sicherer, leichter, schwingender, hat manchmal eine
Art Melodie. Wer weiß ob dies so bleiben wird, wenn ich wiederkomme und
die deutsche Routine einsetzt. Aber Fakt ist, dass ich diese Sicherheit
um jeden Preis beibehalten will und es kaum erwarten kann in den
nächsten 3 Monaten noch mehr zu wachsen und zu lernen.