Mittwoch, 16. März 2016

******Life update, Life update******


Da sich meine Freunde und meine Familie vermutlich weniger dafür interessieren, welche Fragen sich zukünftige Austauschschüler stellen dachte ich, ich schreib kurz und knapp was so in meinem Leben vor sich geht. Als ich noch in Deutschland war und Blogeinträge anderer Austauschschüler gelesen habe, habe ich oft gesehen, dass diese nie Zeit hatten, um regelmäßig zu Schreiben. "Schlechte Ausreden", dachte ich, doch jetzt verstehe ich, wie einem das High School-Leben die Zeit stehlen kann. Mit Track und Theater habe ich die ganze Woche voll mit Training und Proben. Wenn man dann um 6 nach Hause kommt und anfängt Hausaufgaben zu machen, möchte man am Ende des Tages nur noch Netflix gucken oder schlafen gehen. Also keine Zeit um mit deutschen Freunden zu skypen oder Blogeinträge zu verfassen. Trotzdem liebe ich meine Wochen hier und durch die ständige Beschäftigung fliegt die Zeit nur so. 7 Monate bin ich nun schon in den United States. 28 Wochen - was in Teenagerzeit ungefähr 280 entspricht. Aber so fühlt es sich nicht an. Auch wenn die Tage hier nicht immer toll waren, habe ich bereits so viel erlebt und gesehen, dass die letzten Monate nur so vorbeigeflogen sind. In einer Woche haben wir unseren ersten Theaterwettbewerb und ich kann es kaum erwarten Bilder zu posten. Mitten drin habe ich Trackwettkämpfe (in denen ich die Sportlichkeit einer Kartoffel zeige, tolle Gene Mama) und bald haben wir Chor-District Wettbewerb. In anderen Worten: ich bin so dramatisch wie eh und je, singe noch und bin genauso sportbegabt wie in der Vergangenheit. Keine neue Anni, nur einige neue Lebenserfahrungen und Einstellungen. Momentan ist gerade Springbreak (also eine Woche Ferien) und in den letzten Tagen bin ich mit einer Freundin und ihrer Familie nach Missouri, St Louis gefahren. Nette Abwechslung auf Regen, grüne Pflanzen und große Bäume zu treffen, wenn man sein Auslandsjahr in Texas verbringt. Hier einige Bilder aus meinem Leben. 
Ich vermisse euch alle. Noch 3 Monate, dann halte ich euch wieder in meinen Armen. 



 

 Hello my name is Annabell and my favorite color is blue


Eine Frage die sich vor dem Austauschjahr aufdrängt ist die nach der Sprache. Bevor man das Land verlässt fühlt man sich wie der geborene Amerikaner, haut mit "komplizierten Fachbegriffen" um sich, die eigentlich total durchschnittlich sind, aber für die meisten "Dog,Cat,Dog, ach Mist das habsch schon gesacht"-Deutschen groß erscheinen. Wenn dann jedoch der Flug in die neue Heimat näher rückt, verwandelt man sich in einen stotternden 4.Klässler. In der Schule lernt man wie man glorreiche Reden über die Umwelt schreibt, welche historischen Aspekte zur Unhabhängigkeitserklärung beigetragen haben oder welche australischen Tiere zur Zeit vor dem Aussterben bedroht sind. Aber auf das Alltagsleben, das wird man nur gering vorbereitet. Es sei denn man trifft auf smalltalkbegeisterte Touristen und startet einen Spontandialog. "Hello, my name is Annabell. My favorite color is blue. I'm sixteen years old. My favorite animal is a penguin." Ja, das hilft einem viel wenn man in unserer Teenager-Yolo-Welt Menschen kennen lernen will. "Oh, du magst Pinguine? Voll krasschill, weißt du, wenn du irgendwann mal Bock hast könnten wir hängen und Pinguindokumentationen gucken!" Aber wenigstens haben wir uns mit diesen Sätzen in der 4.Klasse auf das Überleben vorbereitet und weniger auf das Verfassen von politisch korrekten Debatten über Außenpolitik. Nicht dass alles was man in der Schule lernt nutzlos ist, aber wer weiß schon die englischen Worte für "Ich möchte diesen nicht-recyclebaren Onedirection-Pappaufsteller nicht in meinem Zimmer haben" oder die freundliche Variante von "Ich wäre dir äußerst verbunden, wenn du im Badezimmer nicht ständig 50000 Unterhosen und Skizzen von halbwüchsigen Animewaschbären rumliegen lassen könntest" Wenn man dann jedoch nicht einmal versucht für seine Bedürfnisse einzustehen, dann findet man sich von heute auf morgen im diktatorischem Königreich einer 12-jährigen wieder, die sich mit Zuckercornflakes und Milch die Zähne putzt. Um dies zu vermeiden hier einige Tipps und Tricks.

1. Sagt alles, was euch in den Kopf kommt.

Das klingt jetzt für viele vermutlich wie eine Einladung um young&reckless zu werden, aber nein so ist es definitiv nicht gemeint. Wenn sich eure Gastmutter eine pinke Dauerwellen schneiden lässt oder der Gastvater die Augenbrauen abrasiert sagt ihr natürlich nicht "Ich ruf kurz im Tierheim an", ihr seid höflich, nickt und sagt es ist besser als ihr es euch vorgestellt hättet. Mit "alles was in den Kopf kommt" meine ich einfache Gesprächsbeteiligungen. In meinen ersten Wochen war ich erst einmal ziemlich zurückhaltend und ruhig. Dann habe ich mich gewundert warum mein Englisch nicht besser wurde und alles auf Amerika geschoben. Aber Überraschung, euer Englisch verändert sich nicht in einem Wimpernschlag. Ihr seid nun in einem riesigen laaaangen Prozess, der sich manchmal hinzieht bis ihr Jogginghosen in der Schule tragt und öfter "like" sagt als ihr atmet. Um aber so schnell wie möglich die Englischwichtel für euch arbeiten zu lassen, müsst ihr euch selbst in den "butt kicken" und sprechen. Wen interessiert es schon ob es richtig ist oder nicht? Die meisten Amerikaner sprechen ja kaum eine Sprache perfekt, ihr arbeitet an der zweiten (manchmal sogar dritten oder sechsten). Ihr seid im Ausland um besser zu werden, nicht um darüber zu streiten wie gut euer 4.-Klasse Englischlehrer war und ob ihr euch noch an das Wort Pappaufsteller erinnern könnt.

2. Downloaded eine Übersetzer-App, aber benutzt sie nicht zu häufig

Dict.cc scheint für viele die Lösung zu allem zu sein. Und auch wenn ich Menschen lieber mit Büchern in der Hand als mit ihrem Handy sehen würde (Bildung statt gehirnkontrollübernehmende Miniaturtechnik) muss ich zugeben, dass es viele Vorteile hat seinen Übersetzer überall mit hinnehmen zu können. Doch lernt man wirklich etwas, wenn man in 2 Sekunden ein Wort nachschlägt und dann weiterspricht? Nicht wirklich. Um euch herum sind die besten Übersetzer, die man finden kann. Klar, es ist ungewohnt mitten im Satz abzubrechen und mit Audruckstanz das Wort Kehrschaufel zu umschreiben, aber es lohnt sich. Die meisten Amerikaner finden es liebenswert und großartig, wenn sie euch weiterhelfen können. Außerdem lernt man so die Aussprache gleich mit. Dann kommt es wenigstens nicht dazu, dass ihr laut in der Klasse nach chinesischen Essstäbchen fragt. (chapstick und chopstick liegt viel zu nah beieinander)

3. Seid stolz auf euren deutschen Akzent

Okay, damit habe ich mich wohl so schwer getan wie nur wenige andere. Gerade nachdem ich diese "Stummlächelnundwinken"-Phase überwunden hatte und in die "Heckyeahsuckersichsprech2Sprachen"-Phase reinschlitterte wollte ich ganz sicher nicht nackte Finger und "Wow guck dir dieses echtdeutsche UppdaWuppda an!" 
Also habe ich versucht meinen Akzent so gut wie möglich zu verstecken, aber glaubt mir, in 99% der Fälle ist dies total unnötig. Mittlerweile werde ich oft im ersten Moment für amerikanisch gehalten, aber das ist mir nun gar nicht mehr wichtig. Im Laufe des Auslandsjahres wächst nicht nur die Wahrnehmung des Auslandes sondern auch dir des Heimatlandes extrem. Und irgendwann ist man stolz darauf "anders" zu sein. Die meisten Amis finden den deutschen Akzent übrigens tatsächlich süß. Also macht euch keine Gedanken, sondern macht den Mund auf und sprecht.

4. Erwartet nicht zu viel von euch selbst

Als gymnasialer 1-er Schüler erwartet man natürlich das Land zu betreten und keinerlei Probleme aufzufinden. "Wenn das andere geschafft haben tu ich das auch!" Und natürlich tut ihr das, jeder tut es. Aber manchmal läuft es nicht so, wie man es sich vorgestellt hätte. Seid ich hergekommen bin habe ich vermutlich mehr Worte vergessen, als ich gelernt habe. Das amerikanische Schulsystem fordert einen nicht unglaublich heraus und an manchen Tagen lernt man nicht viel mehr als "wie lange kann ich meinen Stift auf meinem Gesicht balancieren" und "wie klebe ich meinen Schulleiter mit Tesafilm an die Cafeteriawand". In Deutschland lernt man ständig neue Wörter für Tests und übt sich am Auswendiglernen. Aber wisst ihr was? In den letzten 15 Minuten musste ich ca. 10 Wörter vom Englischen in Deutsche übersetzen, um diesen Blogeintrag hier schreiben zu können. Was bedeutet, dass es sich lohnt. Mein Englisch ist sicherer, leichter, schwingender, hat manchmal eine Art Melodie. Wer weiß ob dies so bleiben wird, wenn ich wiederkomme und die deutsche Routine einsetzt. Aber Fakt ist, dass ich diese Sicherheit um jeden Preis beibehalten will und es kaum erwarten kann in den nächsten 3 Monaten noch mehr zu wachsen und zu lernen.